Last Updated on 21. Februar 2018 by Mirjam Wicki
«Magst du?», hatte meine Schreibfreundin gefragt, und ich hatte ja gesagt zu vier Schreibübungen in vier Wochen. In der zweiten Übung ging es um Licht. Mir hingegen fiel der Laden runter. Oder so. Kä Luscht. Ich bemühte mich, glaubte erstaunlich lange daran, dass schon noch etwas werden würde aus dem Text. Doch leider nein. Hier also das unzensurierte Beispiel für einen Text, aus dem nichts wurde ausser einer Schreiberfahrung. Die ganz echte Unlust der Autorin am Schreiben über dieses Thema zu diesem Zeitpunkt. Auch das ist Schreiben!
«Schreiben Sie heute über das Licht».
Heute, an diesem trüben Tag, soll ich über Licht schreiben. Bisher ist mir noch gar nicht aufgefallen, wie trüb er ist. Ich habe ihn sowieso drinnen verbracht, zuerst an einer inspirierten Sitzung, danach bei einem lustigen Mittagessen mit den Kindern, schliesslich mit anstrengend-langweiliger Buchhaltung. Die Sitzung wäre nicht weniger inspiriert, die Buchhaltung nicht weniger langweilig und das Mittagessen nicht ernster gewesen, wenn die Sonne geschienen hätte. Im Gegenteil, dank der trüben Wolken, aus denen Schnee fiel, waren die Kinder den ganzen Morgen hindurch beschäftigt, und die Sitzung konnte ungestört inspirierend werden.
Was mich hingegen empfindlich gestört hat, war die Kälte in meinem Büro. Trotz Pulswärmern und Wolljacke habe ich gefroren während meiner Buchhaltung. Zu wenig, um den ganzen Krempel an einen wärmeren Ort zu zügeln oder mich endlich mit meinem unkooperativen Heizkörper herumzuschlagen, aber doch so, dass sich die buchhalterische Arbeit noch etwas unangenehmer anfühlte, als sie es ohnehin schon tat.
Schreiben Sie über Licht. Nicht über trübe Tage und kalte Büros.
Sonnenlicht. Kerzenlicht. Neonlicht. LED-Licht. Tageslicht. Kaltes Licht. Warmes Licht. Bildschirmlicht. Flackerndes Licht. Fehlendes Licht. Licht aus der Taschenlampe. Lichtstrahl. Unheimliches Licht. Heimeliges Licht. Lichtermeer. Lichterkette. Es werde Licht. Schalt das Licht aus. Schalt das Licht ein. Nachtlicht. Licht und Schatten. Ihr seid das Licht der Welt. Licht ins Dunkel bringen. In Deinem Licht sehen wir das Licht. Das Licht der Strassenlampe. Scheinwerferlicht. Ein Licht erhellt die Nacht. Im Licht der Autoscheinwerfer. Lichtblick. Nordlicht. Windlicht. Räbeliechtli. Friedenslicht.
Ich kann keinen Text über Licht schreiben, ohne dabei klischeehaft zu werden. Natürlich waren da die endlosen Sommertage im Norden. War das verzauberte Spätnachmittagslicht auf Amrum. Sind die erwartungsvoll flackernden Kerzen im Schlafzimmer. Gab es am Schlittelwochenende die Momente, in denen plötzlich die Sonne durch die Wolken brach. Haben wir an Weihnachten das Friedenslicht nach Hause getragen. Das kommt mir zwar in den Sinn, aber darüber mag ich nicht schreiben. Nicht jetzt. Nicht, weil ich über Licht schreiben soll. Vielleicht ein andermal, wenn es mich berührt, das magische Licht, das bedeutungsvolle Licht, das strahlende Licht, welches das Dunkel erhellt.
Unterdessen ist es dunkel vor meinem Fenster. Das Tageslicht ist weg, die Fenster der Nachbarshäuser sind beleuchtet. Ich schüttle den Kopf über mich und meine Weigerung, mich auf das Thema einzulassen. Nein, heute ist mir kein Licht aufgegangen.
P.S. Es gibt ein Lied meiner Lieblingsband, das heisst «Lights and Shadows». Das höre ich mir jetzt an.