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Liebe, Hoffnung, Mut und Depressionen?

Die Lesezeichen und Postkarten, die ich zu «Die andere Seite von SCHWARZ» drucken liess, tragen die Worte Liebe, Mut und Hoffnung. Es sind Werte, die sich immer wieder zeigen in meinen Geschichten, und sie spiegeln meine eigene, zuversichtliche Sicht auf das Leben wider. Ich glaube nicht daran, dass sich alle Probleme lösen lassen, indem wir lieben, hoffen und mutig sind, aber ich bin dankbar dafür, selber immer wieder Quellen von Liebe, Mut und Hoffnung zu finden – in mir drin und ausserhalb – und damit die nächsten Schritte zu gehen. (Oder auch nicht so viele Schritte zu gehen und zu Hause zu bleiben.)

Ich hatte nicht geplant, ein Buch zu schreiben, in dem Depressionen eine wichtige Rolle spielen. Ich fand mein uraltes Romanmanuskript auf dem Dachboden, verliebte mich neu in meine Charaktere und schrieb ihre Geschichte weiter. Natürlich stellte ich mir irgendwann die Frage, ob ich die Geschichte wirklich so erzählen wollte, noch mehr, als sie für mich selbst eine überraschende Wende nahm, was die Ursache von Ians Depressionen anging. Ich hätte mich dafür entscheiden können, es meine Geschichte bleiben zu lassen, und sie nicht zu veröffentlichen. Ich hätte sie umschreiben können.

Ich entschied mich anders und wagte den Spagat zwischen einer fiktiven Liebesgeschichte und realen, schweren Themen. Für wie erschreckend viele Menschen Depressionen real sind, sei es aus eigenem Erleben oder im Bekanntenkreis, erfahre ich jetzt, in Reaktionen auf mein Buch. Dabei bekomme ich unterschiedliche Rückmeldungen: Wie echt Ians Gefühle beschrieben seien. Wie gut man Alexas zeitweilige Verzweiflung verstehen könne. Wie viel Verständnis die Geschichte wecke für Menschen mit Depressionen und Traumata. Aber auch, dass die Geduld von Alexa und ihrem Umfeld unrealistisch gross sei. Dass es nicht verständlich sei, wie wenig Ian gegen die Depressionen machte.

Rezensent*Innen von «Die andere Seite von SCHWARZ» betonen die Tiefgründigkeit des Themas und die Hoffnung, die sich durch den Roman zieht. Wenn ich das lese, weiss ich, dass meine Geschichte bei diesem Menschen so angekommen ist, wie ich sie gemeint habe, und das ist wohl etwas vom Schönsten, was einer Autorin passieren kann!

Ich freue mich, wenn mein Roman für mehr Verständnis für Menschen mit Depressionen sorgt oder dazu anregt, über die eigene Sicht auf das Leben nachzudenken. Ich bin froh um kritische Rückmeldungen und Hinweise auf Themen, die ich vernachlässigt habe bei meinen Recherchen. Hier gern noch einmal der Hinweis an Leser*Innen: Schreibt mir, wenn euch etwas gefallen oder gestört hat, persönlich oder in einer Rezension. Ich bin sehr dankbar dafür!

Denn die Geschichte von Alexa, Ian und ihrem Krümelchen – diesem Kind, das dank Liebe, Mut und Hoffnung auf dem Weg zu ihnen ist – geht weiter, die Rohfassung von Band 2 wird diesen Monat von mir überarbeitet. Es bleibt realitätsnah, es bleibt emotional, es bleibt ehrlich. Mehr verrate ich aber noch nicht!

Hier geht es zu den Rezensionen zu «Die andere Seite von SCHWARZ» auf Lovelybooks: https://www.lovelybooks.de/autor/Mirjam-Wicki/Die-andere-Seite-von-schwarz-2320855540-w/

Zurück zum Schreiben

Ich wollte bloggen. Nach Selfpublisherbüchern auch kleine Verlage und ihre Bücher vorstellen.

Ich habe (hätte?) im Mai eine Lesung und wollte diese vorbereiten. Vielleicht halt als Online-Lesung.

Ich wollte Kontakt aufnehmen mit Bloggerinnen, mein Netzwerk vergrössern, meine Bücher promoten, den Weg ebnen für den nächsten Roman.

Ich wollte mein Manuskript überarbeiten.

Jetzt ist Lockdown. Homeschooling. Homeoffice. Einkaufen. Kontakt halten. Ich gehöre zu den Menschen, die dadurch gefühlt weniger Zeit haben als vorher, obwohl so Vieles stillsteht. Gestern fühlte es sich an wie früher, als die Kinder noch nicht in der Schule waren – ich war den ganzen Tag beschäftigt und fragte mich am Abend, was ich eigentlich gemacht hatte.

Über Nacht kam der Blues, kam die Resignation. So soll es jetzt weitergehen, für wer weiss wie lange? Ohne Reisen, ohne Besuche, ohne Urlaub, ohne Konzerte, ohne Cafés? Eingesperrt zwischen Küche, Waschküche, Büro und Migros? Spielend, lernbegleitend, motivierend, skypend? Das löst klaustrophobische Gefühle aus, ganz ehrlich.

Dann sah ich Milena Mosers Video

Ich kann hingehen, wo ich will. Mit wem ich will.

Das fühlt sich so gut an!

Also schreibe ich. Morgenseiten. Diesen Text. Irgendwann heute gehe ich in mein Manuskript, überarbeite, schreibe um, schreibe vielleicht weiter, schreibe vielleicht anders, weil ich woanders hin will mit Ian und Alexa.

Schreiben geht immer. Schreiben kann ich in kurzen Fluchten und langen Pausen.

Ich hole mir jetzt meine innere Freiheit zurück.

#autorensonntag: Für mehr Realität in Büchern

Jeden Sonntag schlägt Justine ein Thema zum Autorenleben/Schreiben vor, zu dem man sich Gedanken machen und diese auf Social Media posten kann (einfach den Hashtag #autorensonntag eingeben. Lohnt sich!).

Heute geht es um Realität in Büchern. Justine schreibt dazu: «Warum unsere Protagonisten auch mal PMS haben dürfen, auf Toilette müssen oder ihre Periode bekommen.» Ich könnte schreiben: «Warum meine Protagonistin keine Traumfigur hat und die Depressionen meines Protagonisten nicht allein durch ihre Liebe weggehen.»

Meine Romane spielen in unserer Welt, in unserer Zeit, sind lebensnah und realistisch. Es gibt in ihnen keine fantastischen Elemente, und es gibt nur wenig Glamour und Überzeichnungen (ausser ein paar zu häufig funkelnder Augen natürlich :-)).

Meine Geschichten spielen im Alltag. Es wird gekocht, gearbeitet, gelacht, gestritten, gezweifelt, sich gelangweilt. Man hat Kinder, Krankheiten, Sex, eine nervige und/oder hilfreiche Familie. Es könnte durchaus sein, dass eine meiner Protagonistinnen Schmerzen hat während der Periode, auch wenn das bisher nicht der Fall war.

Es ist mir wichtig, meine Figuren so sein und handeln zu lassen, dass es wahr sein könnte. Ich will sie auf realistische Weise mit realistischen Problemen kämpfen lassen. Sie sollen authentisch glücklich, traurig, herausgefordert und handlungsfähig sein.

Laut Rückmeldungen meiner Leser*Innen gelingt mir das gut. Lebensnah, authentisch, wie im richtigen Leben, man kann gut mitfühlen, komplexe Charaktere, echte Emotionen – das lese und höre ich über «Die andere Seite von SCHWARZ» (und es macht mich sehr glücklich!).

Es gibt auch kritische Stimmen zur Realität im Buch: Zu viele Tränen, zu wenige Ausführungen zu bestimmten Themen, erwartete Reaktionen und Komplikationen, die ausbleiben. Der Punkt, den ich selber am unrealistischsten finde, hat hingegen noch kaum jemand kritisiert (ich sage hier nicht, was ich meine :-)).

Ich weiss und merke immer wieder: Was mir realistisch erscheint, ist es nicht für alle. Meine Leser*Innen knüpfen an ihren eigenen Erfahrungen an, fühlen sich repräsentiert und angesprochen oder irritiert, weil sie anders handeln, denken und fühlen würden.

«Die andere Seite von SCHWARZ» und «Ich melde mich ab» sind Geschichten, die ich erfunden habe. Sie spiegeln die Welt, wie ich sie sah und empfand, als ich die Bücher schrieb. Auch wenn mir Glaubwürdigkeit wichtig ist, weiss ich, dass das Leben zu komplex ist, um jeden Aspekt davon in ein Buch zu packen (gerade wenn es um ein Thema wie Depressionen geht).

Ich freue mich, wenn meine Romane zum Nachdenken anregen, und das dürfen gern auch kritische Gedanken sein. Ich bin dankbar, wenn ich auf Aspekte aufmerksam gemacht werde, die in meinen Geschichten zu kurz kommen. Ich will dazulernen und gleichzeitig frei bleiben, die Realität zu filtern. Meine Figuren werden auch in meinem nächsten Buch nicht aufs Klo gehen (ausser vielleicht, um ihrem Kleinkind für ein paar Minuten zu entkommen – das wäre so eine Realität, wie ich sie gern beschreibe ;-)).

Und warum soll man meine Bücher nun lesen, wenn sie ja doch nur einen Alltag beschreiben, wie man selber einen hat?

Weil sie unterhaltsam geschrieben sind.

Weil man spannende und grösstenteils sympathische Charaktere kennenlernt.

Weil sie einen die Chance geben, über das eigene Leben nachzudenken.

Weil ich Geld bekomme, wenn meine Bücher gekauft werden.

Ich freue mich über weitere Gründe in den Kommentaren, genauso wie über Gedanken zum Thema «Realität in Büchern» im Allgemeinen und in meinen Büchern besonders.

Danke an den #autorensonntag für das Thema!

Bleibt mir weg mit Blümelein!

#LockDownSwitzerland Tag 3

Über diverse Kanäle erreichen mich Texte, die die Corona-Krise entweder als vernünftige Reaktion der Erde auf unsere Ausbeutung oder als Chance zur Verlangsamung und Rückbesinnung sehen.

Wisst ihr was? Ich bin rückbesonnen!

Mein Leben wurde vor über einem Jahrzehnt durch die Geburt meiner Kinder extrem verlangsamt (das war mal ein Lockdown, ich allein mit einem Baby zu Hause!). Die zweite Verlangsamung kam, als ich aufhörte, als Lehrerin zu arbeiten. Plötzlich fehlten Lob und Anerkennung, ein Team im Rücken, das Gefühl, gut zu sein in meiner täglichen Arbeit. Was habe ich mich da besonnen und hinterfragt!

Ich habe Lösungen gefunden: Ich habe mich weitergebildet zur Systemisch-lösungsorientierten Kurzzeitberaterin. Habe eine GmbH gegründet und in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Habe Romane geschrieben und veröffentlicht. Habe meinem Mann ermöglicht, bei zwei Arbeitgebern Jobs zu machen, in denen er gut ist, die er gut macht und in denen er gut verdient. Habe mich entschieden, meinen Kindern eine präsente Mutter zu sein. Führe einen Haushalt und einen Garten, kaufe das Gemüse beim Bauern und lege Wert auf Bio und Fairtrade. Habe meinen Konsum eingeschränkt und auf meine Gesundheit geachtet.

Lief bei mir und der Erde. Nicht immer langsam, nicht immer besonnen, aber häufig achtsam und rücksichtsvoll.

Ich brauche kein Corona-Virus, um mein Leben und meine Familie zu geniessen!

Ich geniesse es nicht, dass mein Geschäft kaum noch Einnahmen macht und wir nicht wissen, wie wir die Rechnungen der kommenden Monate bezahlen sollen, geschweige denn unseren Lohn.

Ich geniesse es nicht, dass Menschen, die ich liebe, von einer Krankheit bedroht sind, die für sie tödlich sein kann.

Ich geniesse es nicht, dass die Unsicherheit greifbar in der Luft liegt und droht, mir genau diese Luft zu nehmen.

Ja, lasst uns (mit mindestens 2 Meter Abstand) zusammenstehen und gut zueinander sein.

Das bedeutet für mich heute, dass ich gefrustet und traurig sein will und keinen einzigen Text mehr lesen werde, der mir die Freude an Blumen als Lösung vorschlagen will.

Postet die Texte weiter, freut euch an ihnen, wenn sie euch gut tun. Heute einfach ohne mich.

#LockDownSwitzerland Tag 2

Das öffentliche und gesellschaftliche Leben steht still. Die Kinder sind zu Hause, der Mann im Homeoffice, ich an der Umstellung meines Geschäfts auf Online-Angebote. Der Begriff Familienmanagement gelangt in dieser Situation auf eine ganz neue Stufe.

Da die Kinder nun die Aufgaben von der Schule bekommen haben, sitzen wir heute Morgen zu dritt am Küchentisch und arbeiten. Das Büro gehört meinem Mann, der seinen Studenten Online-Unterricht bietet.

Einen Teil des Morgens will ich meinem Manuskript widmen, bei dem es um das (zweit?)letzte Kapitel der Rohfassung geht. Abschiedsschmerz stellt sich ein. Es fühlt sich ein wenig komisch, aber auch wohltuend, an, mich mit dem Leben meiner Buchfiguren zu beschäftigen, während mein eigenes sich surreal anfühlt.

Um halb zehn ist im Hause Wicki grosse Pause!

#bücherhamstern: Selfpublishing

Nach der Absage der Leipziger Buchmesse 2020 erschien auf Social Media innerhalb weniger Stunden der Hashtag #bücherhamstern. In erster Linie geht es darum, kleine Verlage und Selfpublisher*Innen zu unterstützen, die durch die Messeabsage entscheidende finanzielle Einbussen erleiden. Es ist aber auch eine grundsätzliche Aufforderung dazu, Bücher zu kaufen und zu lesen!

Mich beeindruckt die Solidarität und Zusammenarbeit, die insbesondere die kleinen Verlage, Selfpublisher*Innen und Buchblogger*Innen in diesen Tagen zeigen.

Gern nutze ich die Gelegenheit, einen Teil dazu beizutragen, indem ich die Bücher vorstelle, die ich in den letzten Monaten aus diesen Bereichen gelesen habe.

In diesem Beitrag stelle ich Selfpublishing-Bücher vor (die Reihe wird noch ergänzt werden, da ich auf meinem E-Reader Titel habe, von denen ich nicht einmal weiss, ob es Verlags- oder SP-Bücher sind).

Habt ihr Empfehlungen für mich aus dem Bereich Selfpublishing für mein eigenes #bücherhamstern?

(P.S. Über Twitter habe ich diese grossartige Zusammenstellung von Büchern zum Hamstern gefunden: https://buecherhamstern.mlle-facettenreich.de/)

«Dein Weg, meine Liebe» von Alizée Korte

ISBN: 9783744888912

Verlag: BoD – Books on Demand

Erscheinungsdatum: 26.03.2019

Meine Meinung: Eine Liebesgeschichte und viel mehr. Etienne Jancour ist einer der «echtesten» Buchfiguren, die ich kenne, und ich denke auch Wochen nach dem Lesen immer wieder an ihn.

Ganze Rezension auf Lovelybooks.

«Die Versammlung» von Manuela Sonntag

ISBN: 9783749497027

Verlag: BoD – Books on Demand

Erscheinungsdatum: 30.09.2019

Meine Meinung: Ein mutiger Genre-Mix aus Krimi, Mysterythriller, Fantasy und historischem Roman. Die Figuren blieben eher blass.

Ganze Rezension auf Lovelybooks.

«Freerunning» von Alice Gabathuler

ISBN: 9783749478101

Verlag: BoD – Books on Demand

Erscheinungsdatum: 10.01.2020

Meine Meinung: Ein rasantes Jugenbuch um Freundschaft, Loyalität, Parkour und einen toten Mann. Mir gefällt, dass aus der Sicht eines Jugendlichen und eines Erwachsenen erzählt wird.

«Traumschreiter» von Sebastian Meissner

ISBN: 9783749499014

Verlag: BoD – Books on Demand

Erscheinungsdatum: 07.11.2019

Meine Meinung: Grossartig, fantastisch, verwirrend, anders. Eine Geschichte wie keine andere!

(Ich habe vom Autor erfahren, dass er das Buch überarbeiten wird.)

Cover: https://exlibris.azureedge.net/covers/9783/7504/8577/8/9783750485778xl.jpg

«Flash Fame» von Sophie M. Seller

ISBN: 9783752862201

Verlag :BoD – Books on Demand

Erscheinungsdatum: 20.03.2020

Meine Meinung: Ein Roman über eine Rockband? Will ich lesen!

Mein Buch vermag nicht zu begeistern

Nachdem ich kürzlich leicht überfordert las «Dein Buch ist top», las ich gestern – auf eine andere Art herausgefordert – «das Buch vermag mich nicht zu begeistern, ich habe es abgebrochen».

Kennt ihr dieses Rumoren im Bauch, wenn sich Enttäuschung breitmacht, vermischt mit der Angst, versagt zu haben? Meine favorisierte Reaktion darauf ist, mich zurückzuziehen und die Karawane an mir vorbeiziehen zu lassen. Vielleicht merkt ja niemand, dass da gerade etwas Unangenehmes läuft.

Gestern habe ich mich für ein anderes Vorgehen entschieden. Ich habe dem Verfasser/der Verfasserin der Rückmeldung öffentlich zurückgeschrieben und ehrlich gesagt, dass ich als Leserin verstehen würde, wenn man seine Zeit nicht mit einem Buch verbringen wolle, das einem nicht begeistern kann. Dass ich mich als Autorin aber freuen würde, wenn der Roman noch eine Chance bekäme.

Danach zog ich mich zu meinen Writing Buddies ins Schreibnachtforum zurück und schrieb mir die Enttäuschung in einem kurzen Satz von der Seele. Nun, sie sind Autor*Innen. Sie lasen zwischen den Zeilen und spürten, dass da mehr war als ein bisschen Aufgewühltsein. Sie reagierten wunderbar:

Lass dich davon nicht runterziehen. Es gibt fabelhafte Bücher, die für Millionen von Leuten die Welt bedeuten … und mich kalt lassen.

Bücherlesen ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Man muss die Sprache, das Tempo, das Sujet mögen. Alles muss irgendwie stimmen und im Leser mitschwingen. Oder man muss willens sein, sich auf eine neue Erfahrung einzulassen – ein anderes Erzählen zuzulassen. Es hat also meiner Meinung nach mehr mit der Leserin/dem Leser zu tun, als mit deinem Buch.

Dein Buch kann nicht alle Leute gleich glücklich machen. Das wäre etwas viel verlangt, finde ich.

Es gibt so viele Menschen auf der Welt und sie alle haben unterschiedliche Ansprüche an eine Geschichte. Was für den Einzelnen perfekt ist, stört den anderen. Ich denke da gerne an das erste Harry Potter Kapitel. Wie häufig habe ich schon gehört, dass es schrecklich ist, dass man gar nicht in die Geschichte rein kommt, dass es bei einem Re-Read immer übersprungen wird? Und ich liebe es. *

Vielleicht noch als Zusatz: es passt auch nicht jedes Buch zu jeder Zeit. Was einen Leser heute kalt lässt, spricht vielleicht etwas in ihm an, wenn er neue Erfahrungen gemacht hat.

Und gerade die Rückmeldung, dass “das Buch nicht zu packen vermag” ist sehr individuell.

Sind sie nicht unglaublich, meine Buddies? Ihre Worte haben mir so gut getan, und das Beste war: Ich glaubte ihnen! Ich wusste, dass ich Ähnliches schreiben würde, wenn jemand von ihnen etwas in der Art posten würde.

Das dumme Gefühl im Bauch wurde kleiner, Kopf und Herz vereinten sich und glaubten gemeinsam daran, dass «Die andere Seite von SCHWARZ» für die einen ein wunderbares Buch ist, für andere ein Buch mit Stärken und Schwächen und wieder für andere ein Buch, das sie nicht lesen mögen. Und dass das okay ist so.

Es gibt ihn immer noch, den kleinen, verschnupften Kerl in meiner Bauchgegend, der findet, gerade mein Buch müsste aber allen Leser*Innen gefallen. Aber wenn er ganz ehrlich ist, kann sogar er akzeptieren, dass das nicht das Ziel sein kann.

Was ich hingegen gern noch wüsste (und die Kritikerin/den Kritiker auch gefragt habe): Haben Cover und Klappentext falsche Erwartungen geweckt?

Denn das ist etwas, was ich wirklich noch besser lernen will: Wie erreiche ich mit meinem Buch und meiner Werbung die Menschen, zu denen die Geschichte passt, die sie mögen und die damit schöne, berührende Lesestunden verbringen können?

*wie sehr und weshalb Francis Behrend Harry Potter liebt (nicht nur das erste Kapitel) kann man übrigens hier nachlesen: https://www.francisbehrend.de/harry-potter-von-joanne-k-rowling/ Es lohnt sich!

Schreibtipp: Starte nicht beim Anfang

«Wie hast du eigentlich angefangen zu schreiben?», fragt mich das Besuchskind. Ich verstehe die Frage zuerst falsch und schildere ihr den Beginn meiner Schreibkarriere. Erst im Lauf des Gesprächs merke ich, dass die Frage so gemeint war:

«Wie beginnst du einen Text?»

Die junge Nachwuchsautorin hat eine Idee für eine Geschichte, die sie schreiben will. Sie weiss, was passieren soll (und sie wird es mir einmal erzählen, wenn die anderen Kinder nicht dabei sind und zuhören). Sie weiss nur nicht, wie und wo sie beginnen soll.

«Das ist einfach», sage ich und freue mich an ihrem ungläubigen Blick. «Beginne irgendwo in der Mitte.»

Der Anfang ist das Schwerste. Der berüchtigte erste Satz, der sitzen muss, weil er darüber entscheidet, ob der Text gelesen wird oder nicht. Das erste Kapitel, das die Leser*innen der Leseprobe überzeugen und das Buch angemessen repräsentieren muss. Das sind gewichtige Aufgaben, die einem durchaus die ganze Schreibmotivation nehmen können.

Deshalb beginne ich meine Bücher, Blogartikel, Mails, … nicht mit dem ersten Satz, sondern mit dem, was mir auf dem Herzen liegt. Mit dem, was gerade zuvorderst ist.

Wenn ich weiss, wo der Text mich hingeführt hat, verpasse ich ihm einen Anfang. Das kann ganz leicht sein (manchmal stellt sich gar heraus, dass es eben doch der Anfang war, den ich zuerst geschrieben habe). Oder es kann auch im Nachhinein noch sehr schwer sein (manchmal brauche ich dabei Hilfe von unabhängigen Testlesern).

Aber es ist für mich immer einfacher, den Anfang eines bestehenden Textes zu finden, als einen Anfang auf ein weisses Blatt/ein weisses Worddokument zu zaubern.

Ich bin gespannt, was mir die junge Geschichtenschreiberin beim nächsten Besuch erzählt!

Wie beginnst du deine Texte?

Die Hass-Figur

«Gibt es in deinem Buch eine Person, die du hasst?», fragte meine Tochter auf einer unserer gemächlichen Sesselliftfahrten hinauf ins Schlittelgebiet .

«Ja, die gibt es.»

«Wen?»

Ich habe es ihr verraten. Hier verrate ich es nicht, weil es «Die andere Seite von SCHWARZ» spoilern würde. (Meiner Tochter musste ich anschliessend an die Antwort nämlich gleich den ganzen Inhalt des Romans erzählen.)

Ja, es gibt diese eine Romanfigur, die ich hasse für das, was sie getan hat, und dafür, wie sie mit ihrer Tat und deren Folgen umgeht.

Dennoch oder gerade deshalb habe ich ein Kapitel aus ihrer Sicht geschrieben. Ich wollte wissen, ob es mir gelingt, mich in jemanden zu versetzen, der so weit von allem weg ist, was ich richtig finde. Jemanden, für den ich kein Verständnis habe und auch keines haben will. Und tatsächlich: Ich fand Anschluss. Ich fand einen Punkt, der mir Zugang verschaffte zur Gefühlswelt dieser Romanfigur.

Das Kapitel war ursprünglich als Experiment und Schreibübung gedacht, doch dann entschied ich mich dafür, es ins Buch aufzunehmen. Einmal darf die Hass-Figur ihre Stimme erheben. Einigen Leser*innen fällt auf, dass das Kapitel nicht ganz passt. Sie wundern sich, wo es herkommt oder warum es nicht weitergeht, oder sie stören sich daran, dass es überhaupt da ist. Bisher hat mich niemand dafür gelobt, der Person eine Stimme gegeben zu haben. Ich glaube, niemand würde das Kapitel vermissen, wenn ich es nicht ins Buch aufgenommen hätte.

Für mich gehört es dennoch hinein. Ich habe die Hass-Figur und ihre Tat erschaffen, und ich wollte ihr die Chance geben, etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen. Sie hat sie nicht genutzt. Ich hasse sie immer noch.

Wenn die Schule anruft

Der Tweet einer Autorenkollegin hat mich an einen Blogtext erinnert, den ich geschrieben habe, als meine Tochter in der 1. Klasse war. Ich habe ihn gesucht und mich beim Lesen so amüsiert, dass ich ihn hier re-poste.

Gestern um ca. 11.30 Uhr klingelte mein Handy, eine unbekannte Nummer. Nach kurzem Zögern ging ich ran. Vorausschicken muss ich noch, dass in der Schule ein Spezialprogramm lief, die Klasse meiner Tochter schnitzte zusammen mit Sechstklässlern Räbeliechtli. Das Gespräch verlief folgendermassen:

(Was ich gesagt habe. Was der Lehrer gesagt hat. Was ich gedacht habe.)

„Hallo?“

„Grüezi Frau W., hier ist Herr P. von der Schule.“

Ein Anruf von der Schule??! Was ist passiert?!

„Frau W., wir haben hier ein Problem…“

Ja, davon gehe ich aus, sonst würden Sie ja nicht anrufen! Oje, ich habe kein Auto, ich kann gar nicht zum Arzt fahren mit meiner Tochter!

„…mit dem Messerli, das ihre Tochter mitgebracht hat.“

MIT DEM MESSER! Sie hat sich verletzt!!! So schlimm, dass die Schule mich anruft!

„Ein Sechstklässler…“

Was???! Ein Sechstklässler ist mit dem Messer auf sie losgegangen?!

„… hat das Messer genommen…“

…ist damit Amok gelaufen und terrorisiert nun die Schule. Aber da kann ich doch nichts dafür!!!!

„…und behauptet, es sei sein Messer.“

…???

„Er sagt, er bekomme Probleme zu Hause, wenn er das falsche Messer mitbringe.“

Was hat denn der für ein Zuhause?

„Also wissen Sie, wir glauben, es ist das Messer ihrer Tochter, aber er gibt einfach nicht nach.“

Und deswegen rufen Sie mich an? 

„Ist es für Sie in Ordnung, wenn wir Ihnen ein gleichwertiges Messer nach Hause geben mit einem schwarzen Griff statt einem roten?“

Wissen Sie was??! Ich nehme jedes Messer, solange Sie nur meine Tochter vor Messerangriffen und Sechstklässlern beschützen!

„Aber selbstverständlich, Herr P., das spielt überhaupt keine Rolle für mich. Richten Sie das meiner Tochter bitte aus.“

„Da bin ich froh. Herzlichen Dank, Frau W., und auf Wiederhören.“

Liebe Pädagoginnen und Pädagogen, Sie können sich merken: Wenn Sie von einer Mutter etwas wollen, versetzen Sie sie einfach kurz in Angst und Schrecken, nachher wird sie zu allem ja sagen. Oder Sie verzichten überhaupt auf eine direkte Anfrage und hören einfach auf das Kind. Die Version meiner Tochter, die sie mir eine halbe Stunde später erzählte, lautete nämlich: „Dä Sächstklässler het eigentlich nur mit de Lehrer Striit gha, ned met mer. Ond de hani gseit, är söll doch das rote Mässer näh, ich nähm ’s schwarze. I ha gwösst, dass der das gliich esch!“ Jawohl.