Ich habe einen Roman geschrieben über eine Familienfrau, die ihren eigenen beruflichen und persönlichen Weg sucht. Zu der Zeit, als die Geschichte entstand, war ich selbst zu 100% als «Hausfrau und Mutter» tätig, nachdem ich vorher ein paar Jahre Teilzeit gearbeitet hatte. Ich wusste nicht, wie sich mein Berufsleben weiterentwickeln würde. Ich wusste auch nicht, dass ich ein Buch zu diesem Thema schreiben wollte. Ich wusste nur, dass ich die freie Kapazität in meinem Kopf nutzen wollte, um zu schreiben. Tatsächlich wurde mir erst Jahre später – nämlich, als das Buch bei meinem Verlag angekommen war, bewusst, worüber ich geschrieben hatte. «Ein wichtiges Thema für viele Frauen», meinte die Verlegerin. «Du schreibst mir aus dem Herzen!», sagen Leserinnen. «Das ist genau mein Thema!» Leserinnen aus der Generation über mir sagen eher: «Aha, so läuft das bei euch heute!» oder «Bei uns war das halt noch anders». Oder auch: «Es waren andere Themen, aber dieselben Gefühle und Gedanken!»
Mittlerweile bin ich wieder berufstätig, gleich in zwei Berufen. Mein Weg war ein anderer als der von Linda aus «Ich melde mich ab». Die Entwicklungen in meiner Familie sind anders als die in meinem Buch. Dennoch staune ich, wie ich vor fünf Jahren beim Schreiben punktgenau das Thema getroffen habe, das wichtig war in meinem Leben. Ich staune, wenn ich sehe, wie viel sich für mich genau bei diesem Thema verändert hat!
Ehrlich gesagt mag ich es nicht besonders, wenn Leserinnen und Leser zu enge Vergleiche ziehen zwischen Linda und mir, zwischen unseren Ehemännern und Kindern. Das wird uns allen nicht gerecht. Linda ist eine erfundene Person in einer erfundenen Geschichte. Gleichzeitig ist sie für mich wie eine gute Freundin, die mich durch eine bestimmte Zeit meines Lebens begleitet hat. Ich habe von ihr gelernt, manchmal hat sie für mich etwas ausprobiert, ausgehalten, entdeckt. Sie war mir nahe, und in einigen Punkten ist sie es immer noch. Sie hat aber auch Eigenschaften, die mir heute fremd sind. Ich habe mich weiterentwickelt, sie steckt in ihrem Buch fest und kann nicht raus. (Wobei ich sicher bin, dass auch sie sich weiterentwickelt, dort drüben, im Paralleluniversum der Romanfiguren. Und wer weiss: Vielleicht treffen wir uns ja einmal wieder und stellen fest, dass wir immer noch Freundinnen sind. Oder auch nicht mehr.)
Schreibe ich nun also autobiographisch oder nicht? Meine Antwort lautet: Ich schreibe nicht autobiographisch, ich erzähle Geschichten.
Wie die Geschichten in meinen Kopf hineinkommen und warum welche wann herauskommen will oder gar muss – das weiss ich nicht. Manches macht beim Schreiben Sinn, anderes bleibt rätselhaft. Lindas Geschichte lässt sich im Nachhinein in mein Leben einordnen, andere Texte bleiben für sich stehen.
Wichtig ist für mich:
Das Schreiben tut mir gut, egal, ob ich verstehe, warum ich etwas schreibe, oder nicht. Mehr noch: Das Schreiben ist zur Notwendigkeit geworden, zu einem Werkzeug, mit dem ich mein Leben und meinen Alltag besser meistere.
P.S. Im März 2018 startet die zweite Ausgabe des Schreibkurses «Lust auf Schreiben – Creative Writing für Erwachsene» mit Iris Pfammatter und mir. Hast du Lust, den Geschichten in deinem Kopf auf die Spur zu kommen und herauszufinden, ob und wie sie sich aufs Papier bringen lassen? Wir würden uns freuen, mit dir auf Entdeckungsreise zu gehen! Infos unter «Schreibkurse».