Mein Buch vermag nicht zu begeistern

Nachdem ich kürzlich leicht überfordert las «Dein Buch ist top», las ich gestern – auf eine andere Art herausgefordert – «das Buch vermag mich nicht zu begeistern, ich habe es abgebrochen».

Kennt ihr dieses Rumoren im Bauch, wenn sich Enttäuschung breitmacht, vermischt mit der Angst, versagt zu haben? Meine favorisierte Reaktion darauf ist, mich zurückzuziehen und die Karawane an mir vorbeiziehen zu lassen. Vielleicht merkt ja niemand, dass da gerade etwas Unangenehmes läuft.

Gestern habe ich mich für ein anderes Vorgehen entschieden. Ich habe dem Verfasser/der Verfasserin der Rückmeldung öffentlich zurückgeschrieben und ehrlich gesagt, dass ich als Leserin verstehen würde, wenn man seine Zeit nicht mit einem Buch verbringen wolle, das einem nicht begeistern kann. Dass ich mich als Autorin aber freuen würde, wenn der Roman noch eine Chance bekäme.

Danach zog ich mich zu meinen Writing Buddies ins Schreibnachtforum zurück und schrieb mir die Enttäuschung in einem kurzen Satz von der Seele. Nun, sie sind Autor*Innen. Sie lasen zwischen den Zeilen und spürten, dass da mehr war als ein bisschen Aufgewühltsein. Sie reagierten wunderbar:

Lass dich davon nicht runterziehen. Es gibt fabelhafte Bücher, die für Millionen von Leuten die Welt bedeuten … und mich kalt lassen.

Bücherlesen ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Man muss die Sprache, das Tempo, das Sujet mögen. Alles muss irgendwie stimmen und im Leser mitschwingen. Oder man muss willens sein, sich auf eine neue Erfahrung einzulassen – ein anderes Erzählen zuzulassen. Es hat also meiner Meinung nach mehr mit der Leserin/dem Leser zu tun, als mit deinem Buch.

Dein Buch kann nicht alle Leute gleich glücklich machen. Das wäre etwas viel verlangt, finde ich.

Es gibt so viele Menschen auf der Welt und sie alle haben unterschiedliche Ansprüche an eine Geschichte. Was für den Einzelnen perfekt ist, stört den anderen. Ich denke da gerne an das erste Harry Potter Kapitel. Wie häufig habe ich schon gehört, dass es schrecklich ist, dass man gar nicht in die Geschichte rein kommt, dass es bei einem Re-Read immer übersprungen wird? Und ich liebe es. *

Vielleicht noch als Zusatz: es passt auch nicht jedes Buch zu jeder Zeit. Was einen Leser heute kalt lässt, spricht vielleicht etwas in ihm an, wenn er neue Erfahrungen gemacht hat.

Und gerade die Rückmeldung, dass “das Buch nicht zu packen vermag” ist sehr individuell.

Sind sie nicht unglaublich, meine Buddies? Ihre Worte haben mir so gut getan, und das Beste war: Ich glaubte ihnen! Ich wusste, dass ich Ähnliches schreiben würde, wenn jemand von ihnen etwas in der Art posten würde.

Das dumme Gefühl im Bauch wurde kleiner, Kopf und Herz vereinten sich und glaubten gemeinsam daran, dass «Die andere Seite von SCHWARZ» für die einen ein wunderbares Buch ist, für andere ein Buch mit Stärken und Schwächen und wieder für andere ein Buch, das sie nicht lesen mögen. Und dass das okay ist so.

Es gibt ihn immer noch, den kleinen, verschnupften Kerl in meiner Bauchgegend, der findet, gerade mein Buch müsste aber allen Leser*Innen gefallen. Aber wenn er ganz ehrlich ist, kann sogar er akzeptieren, dass das nicht das Ziel sein kann.

Was ich hingegen gern noch wüsste (und die Kritikerin/den Kritiker auch gefragt habe): Haben Cover und Klappentext falsche Erwartungen geweckt?

Denn das ist etwas, was ich wirklich noch besser lernen will: Wie erreiche ich mit meinem Buch und meiner Werbung die Menschen, zu denen die Geschichte passt, die sie mögen und die damit schöne, berührende Lesestunden verbringen können?

*wie sehr und weshalb Francis Behrend Harry Potter liebt (nicht nur das erste Kapitel) kann man übrigens hier nachlesen: https://www.francisbehrend.de/harry-potter-von-joanne-k-rowling/ Es lohnt sich!

Mein Buch ist top

«Dein Buch ist top! Du bist ein Profi.»

BÄM!!!

Die Worte hat mir jemand geschrieben, dessen Meinung über mein Schreiben mir wichtig ist. Jemand, den ich als sehr differenzierten Menschen kennengelernt habe. Und dann schreibt er diese absoluten Aussagen, ohne sie durch irgendetwas zu relativieren.

Ich stehe im Schilf. Weil ich weiss, dass er recht hat. Und weil ich weiss, dass er nicht recht hat. Weil sich in mir innerhalb einer Sekunde tausend «Aber …» formieren, die ungeduldig zurückgehalten werden von einer resoluten Stimme, die sagt: «Jetzt denk erst mal darüber nach, bevor du dagegen argumentierst!»

Also denke ich nach. Ein bisschen wirr, schliesslich stehe ich an dem Tag vor einer der ganz seltenen Fiebernächte in meinem Leben (was ich natürlich noch nicht weiss). Mitten im Denken stolpere ich über einen Tweet, der argwöhnt, dass es Frauen schwerer fällt, ihre Bücher zu promoten. Weil «Bescheidenheit ist eine Zier» und so.

Ist das der Grund, warum ich jedes Mal ungläubig staune, wenn jemand mein Buch so richtig, richtig mag, und sowas denke wie «Ja, da habe ich halt genau seinen/ihren Geschmack getroffen. Glück gehabt!»? Sagt mir hingegen jemand, dass er den Roman zwar gern gelesen hat, da und dort aber schon Fragezeichen habe oder dies und das nicht so mochte, dann denke ich: «Genau. Ich weiss, dass ich schreiben kann, aber soooo gut ist das Buch natürlich nicht.».

Schon möglich, dass da gelernte weibliche Bescheidenheit hineinspielt (obwohl diese bestimmt nicht zu meinen herausragenden Eigenschaften gehört). Ich weiss aber tatsächlich, dass mein Roman auch Schwächen hat. Ich weiss das so gut wie niemand sonst. Ich habe ihn nämlich geschrieben und verlegt. Niemand kennt die Geschichte besser als ich, niemand ist näher an ihr dran als ich. Niemand weiss besser als ich, wie sehr sie sich verändert hat über die Monate der Entstehung und wie viel mehr sie sich noch hätte verändern können, wenn ich nicht irgendwann gesagt hätte: «Stopp! Genauso wird der Roman veröffentlicht.»

Ich bin Profi genug, um mir nicht einzubilden, das perfekte Buch geschrieben zu haben. Profi genug, um zu glauben, dass es Leute gibt, die mein Buch uneingeschränkt lieben. Profi genug, um durchdachte Kritik gern entgegenzunehmen. Profi genug, um um meine Stärken und Schwächen als Autorin zu wissen (jedenfalls um einige). Auch Profi genug, um zu wissen, dass es nicht unbedingt die besten Bücher sind, die am meisten gekauft werden.

Ich bin aber nicht nur Profi. Ich bin Hobbyautorin und Selfpublishing-Lehrling, und das sage ich nicht aus weiblicher Bescheidenheit, sondern weil ich an lebenslanges Lernen glaube. Ich bin nicht als Meisterin vom Himmel gefallen, sondern habe meine Schreibbegabung über Jahrzehnte trainiert. Ich habe den Kontakt zu meinen Lesern und Leserinnen geübt. Ich lerne, wie Selfpublishing funktioniert, Marketing und Social Media. Ich will Lernende sein, Fehler machen dürfen, etwas ausprobieren, scheitern und überraschend Erfolg haben. Ich will nicht glauben, der Profi sein zu müssen, der alles im Griff hat.

Dein Buch ist top. Und wenn es so wäre? Wenn ich dies einfach ohne Wenn und Aber glauben würde? Das kann ich nicht, das weiss ich nach mehreren Tagen des Nachdenkens und Nachfühlens.

Aber was ich kann, ist sagen: Mein Buch ist gut, und es hat das Potenzial, von Lesern und Leserinnen als Top-Buch angesehen zu werden!

(Ja, das kann ich sagen, aber nicht, ohne dabei ganz unprofihaft und leicht hysterisch vor mich hinzukichern.)