Mein Buch ist top

«Dein Buch ist top! Du bist ein Profi.»

BÄM!!!

Die Worte hat mir jemand geschrieben, dessen Meinung über mein Schreiben mir wichtig ist. Jemand, den ich als sehr differenzierten Menschen kennengelernt habe. Und dann schreibt er diese absoluten Aussagen, ohne sie durch irgendetwas zu relativieren.

Ich stehe im Schilf. Weil ich weiss, dass er recht hat. Und weil ich weiss, dass er nicht recht hat. Weil sich in mir innerhalb einer Sekunde tausend «Aber …» formieren, die ungeduldig zurückgehalten werden von einer resoluten Stimme, die sagt: «Jetzt denk erst mal darüber nach, bevor du dagegen argumentierst!»

Also denke ich nach. Ein bisschen wirr, schliesslich stehe ich an dem Tag vor einer der ganz seltenen Fiebernächte in meinem Leben (was ich natürlich noch nicht weiss). Mitten im Denken stolpere ich über einen Tweet, der argwöhnt, dass es Frauen schwerer fällt, ihre Bücher zu promoten. Weil «Bescheidenheit ist eine Zier» und so.

Ist das der Grund, warum ich jedes Mal ungläubig staune, wenn jemand mein Buch so richtig, richtig mag, und sowas denke wie «Ja, da habe ich halt genau seinen/ihren Geschmack getroffen. Glück gehabt!»? Sagt mir hingegen jemand, dass er den Roman zwar gern gelesen hat, da und dort aber schon Fragezeichen habe oder dies und das nicht so mochte, dann denke ich: «Genau. Ich weiss, dass ich schreiben kann, aber soooo gut ist das Buch natürlich nicht.».

Schon möglich, dass da gelernte weibliche Bescheidenheit hineinspielt (obwohl diese bestimmt nicht zu meinen herausragenden Eigenschaften gehört). Ich weiss aber tatsächlich, dass mein Roman auch Schwächen hat. Ich weiss das so gut wie niemand sonst. Ich habe ihn nämlich geschrieben und verlegt. Niemand kennt die Geschichte besser als ich, niemand ist näher an ihr dran als ich. Niemand weiss besser als ich, wie sehr sie sich verändert hat über die Monate der Entstehung und wie viel mehr sie sich noch hätte verändern können, wenn ich nicht irgendwann gesagt hätte: «Stopp! Genauso wird der Roman veröffentlicht.»

Ich bin Profi genug, um mir nicht einzubilden, das perfekte Buch geschrieben zu haben. Profi genug, um zu glauben, dass es Leute gibt, die mein Buch uneingeschränkt lieben. Profi genug, um durchdachte Kritik gern entgegenzunehmen. Profi genug, um um meine Stärken und Schwächen als Autorin zu wissen (jedenfalls um einige). Auch Profi genug, um zu wissen, dass es nicht unbedingt die besten Bücher sind, die am meisten gekauft werden.

Ich bin aber nicht nur Profi. Ich bin Hobbyautorin und Selfpublishing-Lehrling, und das sage ich nicht aus weiblicher Bescheidenheit, sondern weil ich an lebenslanges Lernen glaube. Ich bin nicht als Meisterin vom Himmel gefallen, sondern habe meine Schreibbegabung über Jahrzehnte trainiert. Ich habe den Kontakt zu meinen Lesern und Leserinnen geübt. Ich lerne, wie Selfpublishing funktioniert, Marketing und Social Media. Ich will Lernende sein, Fehler machen dürfen, etwas ausprobieren, scheitern und überraschend Erfolg haben. Ich will nicht glauben, der Profi sein zu müssen, der alles im Griff hat.

Dein Buch ist top. Und wenn es so wäre? Wenn ich dies einfach ohne Wenn und Aber glauben würde? Das kann ich nicht, das weiss ich nach mehreren Tagen des Nachdenkens und Nachfühlens.

Aber was ich kann, ist sagen: Mein Buch ist gut, und es hat das Potenzial, von Lesern und Leserinnen als Top-Buch angesehen zu werden!

(Ja, das kann ich sagen, aber nicht, ohne dabei ganz unprofihaft und leicht hysterisch vor mich hinzukichern.)