Bleibt mir weg mit Blümelein!

#LockDownSwitzerland Tag 3

Über diverse Kanäle erreichen mich Texte, die die Corona-Krise entweder als vernünftige Reaktion der Erde auf unsere Ausbeutung oder als Chance zur Verlangsamung und Rückbesinnung sehen.

Wisst ihr was? Ich bin rückbesonnen!

Mein Leben wurde vor über einem Jahrzehnt durch die Geburt meiner Kinder extrem verlangsamt (das war mal ein Lockdown, ich allein mit einem Baby zu Hause!). Die zweite Verlangsamung kam, als ich aufhörte, als Lehrerin zu arbeiten. Plötzlich fehlten Lob und Anerkennung, ein Team im Rücken, das Gefühl, gut zu sein in meiner täglichen Arbeit. Was habe ich mich da besonnen und hinterfragt!

Ich habe Lösungen gefunden: Ich habe mich weitergebildet zur Systemisch-lösungsorientierten Kurzzeitberaterin. Habe eine GmbH gegründet und in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Habe Romane geschrieben und veröffentlicht. Habe meinem Mann ermöglicht, bei zwei Arbeitgebern Jobs zu machen, in denen er gut ist, die er gut macht und in denen er gut verdient. Habe mich entschieden, meinen Kindern eine präsente Mutter zu sein. Führe einen Haushalt und einen Garten, kaufe das Gemüse beim Bauern und lege Wert auf Bio und Fairtrade. Habe meinen Konsum eingeschränkt und auf meine Gesundheit geachtet.

Lief bei mir und der Erde. Nicht immer langsam, nicht immer besonnen, aber häufig achtsam und rücksichtsvoll.

Ich brauche kein Corona-Virus, um mein Leben und meine Familie zu geniessen!

Ich geniesse es nicht, dass mein Geschäft kaum noch Einnahmen macht und wir nicht wissen, wie wir die Rechnungen der kommenden Monate bezahlen sollen, geschweige denn unseren Lohn.

Ich geniesse es nicht, dass Menschen, die ich liebe, von einer Krankheit bedroht sind, die für sie tödlich sein kann.

Ich geniesse es nicht, dass die Unsicherheit greifbar in der Luft liegt und droht, mir genau diese Luft zu nehmen.

Ja, lasst uns (mit mindestens 2 Meter Abstand) zusammenstehen und gut zueinander sein.

Das bedeutet für mich heute, dass ich gefrustet und traurig sein will und keinen einzigen Text mehr lesen werde, der mir die Freude an Blumen als Lösung vorschlagen will.

Postet die Texte weiter, freut euch an ihnen, wenn sie euch gut tun. Heute einfach ohne mich.

#LockDownSwitzerland Tag 2

Das öffentliche und gesellschaftliche Leben steht still. Die Kinder sind zu Hause, der Mann im Homeoffice, ich an der Umstellung meines Geschäfts auf Online-Angebote. Der Begriff Familienmanagement gelangt in dieser Situation auf eine ganz neue Stufe.

Da die Kinder nun die Aufgaben von der Schule bekommen haben, sitzen wir heute Morgen zu dritt am Küchentisch und arbeiten. Das Büro gehört meinem Mann, der seinen Studenten Online-Unterricht bietet.

Einen Teil des Morgens will ich meinem Manuskript widmen, bei dem es um das (zweit?)letzte Kapitel der Rohfassung geht. Abschiedsschmerz stellt sich ein. Es fühlt sich ein wenig komisch, aber auch wohltuend, an, mich mit dem Leben meiner Buchfiguren zu beschäftigen, während mein eigenes sich surreal anfühlt.

Um halb zehn ist im Hause Wicki grosse Pause!

Ich hatte Angst vor Schlangen

Ich hatte eine Schlangenphobie. So eine, bei der der Gedanke an eine Schlange Gänsehaut auslöst. Genauso Bilder von Schlangen und diese unsäglichen Gummiviecher. Filme waren noch schlimmer. Sobald sich die Schlange bewegte, schlängelte und im schlimmsten Fall züngelte, schloss ich schaudernd die Augen und es schüttelte mich. Schlangen im Zoo? Ohne mich. Blindschleichen im Garten? Ohne mich. Blindschleichen im Keller? Da musste ich mich mal getrauen, aber es war schwierig.

Ich lebte bisher gut mit meiner Schlangenphobie, sie hat mich in meinem Alltag nicht (oder nur sehr selten) behindert. Nun war ich am Wochenende im Rahmen meiner Tätigkeit als Lösungsorientierte Beraterin an einer Weiterbildung. Dabei ging es um das Lösen von Phobien. Zuerst behielt ich sie zurück, meine Schlangenphobie. Sie stört mich ja nicht. Ich kenne sie so gut. Wozu sollte ich etwas ändern daran? Doch als uns gegen Ende des Wochenendes so langsam die Phobien ausgingen, mit denen wir arbeiten konnten, kramte ich sie hervor, meine Angst vor Schlangen. Die irrationale Angst, diejenige, die auch Blindschleichen, Fotos, Filme, Gummiviecher und sicher eingesperrte Schlangen umfasst.

«Wann triffst du zum nächsten Mal auf eine Schlange?», fragte meine Beraterin zum Schluss.

«Wann ich will», antwortete ich. «Der Freund meines Sohnes hat eine zu Hause. Ich kann ihn fragen, ob ich sie sehen darf.»

«Und anfassen?»

«Nein! Das nicht. Aber ansehen – ja, ich werde ihn fragen!», gab ich ohne Gänsehaut zur Antwort.

Heute hat mein Sohn mit seinem Freund abgemacht. Ich begleitete ihn zu dem Freund nach Hause. Der Freund war begeistert, als ich ihn bat, seine Schlange anschauen zu dürfen. Er führte mich ins Zimmer mit der Schlange, öffnete das Terrarium, hob den Ast hoch, unter dem sie sich versteckt hatte, und nahm die Schlange heraus.

«Hier.»

Ich schaute sie an. Ganz ohne Gänsehaut. Ganz ohne Schaudern. Sie züngelte nicht. Sie wand sich um den Arm des Jungen. So what? Ich schaute ihr in die Augen. Ich habe noch nie im Leben einer Schlange in die Augen geschaut. Sie hatte nette Augen. Der Junge erklärte mit lang und breit, wie sie sich anfühlen würde. Ich schaute sie an, streckte den Finger aus und tippte sie kurz an. Wirklich nur kurz, als sich der Kopf in meine Richtung bewegte, zog ich den Finger schnell zurück. Trotz ihrer netten Augen. Immer noch ohne Gänsehaut. Er liess die Schlange zurück ins Terrarium kriechen, erzählte mir, dass man ihre Rippen spüren könnte, und mein Finger bewegte sich wie von selbst und strich ihr über einen Teil des Rückens.

Ich hatte eine Schlangenphobie. Jetzt ist sie weg.

(Wir haben nicht zaubern gelernt an unserer Weiterbildung, aber ein bisschen magisch fühlt es sich trotzdem an!)

Oh du wirbelige Weihnachtszeit

Wir zünden Kerzen an (und seit dem Schreckmoment vom letzten Sonntagabend löschen wir sie auch konsequent aus, bevor wir den Raum verlassen).

Wir öffnen die Türchen, Seiten und Blätter unserer Adventskalender.

Wenn wir am Abend Besuch erwarten, brennt vor der Haustür die Kerze in der Laterne.

Ein lieber Freund hat uns Tannen- und Mistelzweige gebracht, die dekorativ vor dem Eingang liegen und darauf warten, bewusst und noch dekorativer irgendwo hingelegt zu werden.

Die Schachtel mit den Weihnachtsbüchern steht im Wohnzimmer.

Wir nehmen (nicht häufig, aber ein bisschen) an Bräuchen teil wie den Adventsfenstern im Dorf oder dem Wecken des Samichlaus mittels «Geisslechlöpfe».

Wir bestellen Geschenke, erstellen Wunschlisten und haben alles da, um die selbstgemachten Geschenke zu machen.

Wir planen Weihnachtsfeiern, laden ein, lassen uns einladen, sagen auch einmal ab.

Wenn die Kinder auf ihren Instrumenten üben, erklingen Weihnachtslieder.

Sie haben fleissig geübt für das Weihnachtsspiel in der Kirche und zusammen mit vielen anderen Kindern eine grosse Zuschauermenge begeistert und berührt.

Es weihnachtet. Ganz traditionell.

Und doch kommt bei mir keine Weihnachtsstimmung auf. Diese ganz besondere Stimmung, die alles andere unwichtig erscheinen lässt, fehlt. Da ist zu viel Alltag. Zu viele offene Punkte auf der geschäftlichen To-do-Liste. Zu viele Hausaufgaben, Prüfungen. Zu viele Termine. Zu viel «so wie immer». Zu wenig Zeit zum einfach nur weihnachtlich sein.

Na und? Macht das Weihnachten weniger wertvoll? Ändert das etwas an der wunderbaren Botschaft, die die Kinder und Engel am Weihnachtsspiel verkündet haben: «De Himmel chunt uf d’ Ärde und das giltet für alli!»? Hindert es uns daran, die Feste zu feiern, wie sie fallen, auch wenn sie möglicherweise etwas unvorbereiteter fallen als andere Jahre?

Nein! Nein.

Weihnachten wird es sowieso, ob ich mich drei Wochen lang besinnlich gefühlt habe oder nicht. Ob ich alle Erwartungen erfüllt habe – meine eigenen und die der anderen – oder nicht. Darum geht es nämlich. Jesus kommt sowieso. Der Himmel kommt sowieso auf die Erde. Möglicherweise halt einfach anders, als ich es mir vorgestellt habe.

Mammut jagen – aus dem Alltag einer Mutter

Die Viertklässlerin muss überprüfen, ob sie die Lernziele des Realienthemas «Altsteinzeit» verstanden hat. Ich lese die Fragen vor, sie überprüft.

«Ich kann Fragen beantworten zum Thema jagen.»

«Ja! Oh, Mami, da habe ich einen lustigen Lesefehler gemacht in der Schule! Ich habe gelesen ‘die Jäger treiben das Mammut in einen Strumpf’, statt in einen Sumpf. Erst als meine Kollegin Sumpf gesagt hat, habe ich gemerkt, dass ich falsch gelesen habe!»

Wir lachen. Sie, ihr Bruder, ich. Können gar nicht mehr aufhören. Ich jedenfalls nicht. Das Bild vom Mammut, das von den Steinzeitjägern in einen Strumpf gejagt wird, geht mir nicht mehr aus dem Kopf und sorgt für anhaltende Heiterkeit. Die Kinder kichern mit.

«Aber hast du es denn wirklich nicht gemerkt? Fandest du es nicht ein wenig komisch?», frage ich meine Tochter.

«Schon. Aber die waren schliesslich komisch, diese Steinzeitmenschen…»

Wir üben weiter. Erst nach der letzten Frage, als meine Tochter die Hefte bereits wegräumt, frage ich: «Und hast du dich denn nicht gefragt, woher die Steinzeitmenschen Strümpfe hatten? Und erst noch so grosse?»

Sie schaut mich entgeistert an. Dann lacht sie wieder los.

«Doch nicht solche Strümpfe! Hast du dir vorgestellt, ich habe mir Strümpfe für die Beine vorgestellt?!»

«Ja! Natürlich!»

«Ich auch», meldet sich der jüngere Bruder.

Nun ist es die Tochter, die nach Luft japst und nicht mehr aufhören kann zu lachen.

«Was denkt ihr euch denn?!»

«Ja, was hast du dir denn vorgestellt?», frage ich irritiert.

«Was wohl? Natürlich Baumstrümpfe!»

«Baumstrümpfe?»

«Ja, die abgebrochenen Bäume! Du weisst schon…»

Ja, ich weiss. Baumstümpfe. Baumstrünke. Nicht Baumstrümpfe. Und wieder lachen wir und können nicht mehr aufhören. Über das Wort Baumstrumpf. Über unser Missverständnis. Über die Empörung der Tochter, dass wir geglaubt haben, sie habe sich Mammuts in Riesenstrümpfen vorgestellt. Noch einmal über die Vorstellung von gefangenen Mammuts in Riesenstrümpfen, diesmal zusammen mit der Tochter, die ja erst jetzt über diese Vorstellung lacht. Danach über ihre Erklärung, wie die Mammuts in den ‹Baumstrümpfen› steckengeblieben wären.

Beide Kinder liegen am Boden und kugeln sich vor Lachen. Ich stehe daneben, immer wieder loskichernd über einen der vielen lustigen Gedanken, die durch den Raum und durch meinen Kopf flattern. Unglaublich, wie spassig Hausaufgaben sein können!

«Mach dieses Buch fertig», Tag 1 und 2

Gestern habe ich mir spontan Kerri Smiths Buch «Mach dieses Buch fertig – immer und überall» gekauft. Aus Neugier und Freude und weil mich der Untertitel «erschaffen ist zerstören» herausfordert.

Am ersten Abend habe ich mich vorsichtig an zwei unspektakuläre Aufgaben gewagt: Meinen Namen auf ganz unterschiedliche Arten schreiben (dabei ist mir aufgefallen, dass es in MIRJAM nur zwei Buchstaben gibt, die spiegelverkehrt anders aussehen als sonst!) und Strassennamen aufschreiben (was ich schön untereinander und in Reinschrift gemacht habe).

Tag 2 fand mich mutiger. «Überleg dir eine eigene Fertigmach-Methode» fordert einem Frau Smith immer wieder heraus. Ich fand zwei. Zuerst bin ich mit dem Velo über das Buch gefahren. Zweimal. Gibt hübsche, feine Reifenabdrücke. Gern wäre ich noch ein paar Mal mehr darüber gefahren, doch dann näherte sich Mister DHL unserem Haus und ich wollte nicht komisch wirken vor ihm. Warum nicht? Keine Ahnung. Nach dem Mittagessen sassen wir so am Tisch, etwas gelangweilt, da erzählte ich meinen Kindern von den Reifenabdrücken. Holte das Büchlein, zeigte ihnen die Abdrücke und fand in dem Moment eine weitere Fergitmach-Methode: Ich strich eine Doppelseite voll mit Lasagne-Sauce-Resten! Das hat so richtig viel Spass gemacht!!!! Und die Chance, dass mein Büchlein bald olfaktorisch auffindbar ist, ist gestiegen…